26.04.2020 - Predigt zum Sonntag Misericordias Domini

Von Ostern kommen wir her, auch wenn wir es in diesem Jahr nicht so feiern konnten wie die Jahre und Jahrzehnte zuvor. Wir stehen und leben in besonderen Zeiten. Das merkt jeder, manche ganz bitterlich.

Wir sind herausgefordert, mit dem, was von uns verlangt wird. Der heutige Predigttext möchte uns genau in dieser Situation begleiten und uns etwas mitteilen, was jetzt hilfreich und stärkend ist, was uns hilft, uns zu orientieren. Anders gesagt: Wir werden als Menschen, und zwar jede und jeder, ernstgenommen.

Auch in diesen Tagen spricht zu uns das Evangelium, die gute Botschaft von dem Gott, der mit uns redet und Leben, Zeit mit uns teilt.

So sind wir eingeladen zu hören das Evangelium, wie es uns heute mit Hilfe des 1. Petrusbriefes anspricht:

Christus hat für euch gelitten und euch ein Vorbild hinterlassen, dass ihr sollt nachfolgen seinen Fußstapfen; er, der keine Sünde getan hat und in dessen Mund sich kein Betrug fand; der, als er geschmäht wurde, die Schmähung nicht erwiderte, nicht drohte, als er litt, es aber dem anheimstellte, der gerecht richtet; der unsre Sünden selbst hinaufgetragen hat an seinem Leibe auf das Holz, damit wir, den Sünden abgestorben, der Gerechtigkeit leben. Durch seine Wunden seid ihr heil geworden. Denn ihr wart wie irrende Schafe; aber ihr seid nun umgekehrt zu dem Hirten und Bischof eurer Seelen.

Von Fußstapfen ist hier die Rede, also von Spuren, die Menschen in ihrem Leben hinterlassen.

Das ist so: jeder von uns hinterlässt in seinem Leben Spuren.

Spuren die manchmal verwehen und vergehen und manchmal tiefe Eindrücke hinterlassen, die von vielen zu sehen sind. Jeder versucht seinen Weg zu gehen. Und der Wunsch ist groß in mir: Möglichst soll der Weg geradlinig und unbeschwert verlaufen.

Eine Frage stellt sich mir nun: Ist es nicht einsichtig für mich, für uns Menschen, dass dies am besten gelingt, wenn wir nicht allein unseren Weg gehen.?

Selbstverständlich ist es einfacher, wenn jemand mit uns geht, der uns ermutigt, tröstet und aufsucht. Der einfach zu mir hält, auch in schwierigen Zeiten, mit mir lacht und singt und sich mit mir freut.

Von so einem Begleiter hören wir auch in den biblischen Briefzeilen: Jesus Christus er geht mit. Das ist die Botschaft des Hirtensonntages.

Doch Jesus ist nicht nur als der gute Hirte im Blick, sondern er wird auch als Bischof bezeichnet.

Bischof, hinter diesem Amt steht eine Aufgabe, nämlich die, alles zu überblicken. Manche kennen solch einen „Überblicker“, der alles auf den Tisch legen lässt, um es zu überblicken. Da werden dann die schönen, gelungenen Geschichten sichtbar, aber auch diejenigen, wo Schwächen und Fehler, ja Versäumnisse erkennbar sind.

Wir kennen ihn unter dem Begriff: Supervisor.

Jesus ist also unser Supervisor, der uns immer gegenwärtig begleitet. Auf diese Weise begleitend möchte er uns aber nicht kontrollieren. Da sind wir ja allergisch dagegen. Er begleitet uns vielmehr, wie ein guter Hirte, damit wir auf rechten Straßen gehen können. Er führt uns zu Wegen hin, die jeder von uns gehen kann. Dieser je eigene Weg ist besonders. Denn Jesus als Hirte führt uns auf Wegen, die durch die Liebe Gottes geplant, gebaut und gepflastert sind. Viele Stationen und Wegmarkierungen sind da zu entdecken, die alle von der Liebe Gottes erzählen.

Die Liebe Gottes ist die Kraft und Macht, die jeden von uns ernst nimmt, und wahrnimmt. Keiner ist allein gelassen, selbst wenn ich das Gefühl habe, von allen Menschen verlassen zu sein. Was sicherlich viele jetzt unter uns so erleben und empfinden.

Wir hören und erfahren nun, dass dieser Weg nicht gepflastert ist mit Steinen des Betruges. Jesus war nicht jemand der Schuld beim anderen suchte. Dieser Weg der Liebe ist auch nicht mit Steine des Drohens gepflastert. Jesus hat im Namen Gottes Schuld vergeben. Warum aber hat er nicht gedroht, sondern vergeben?

Da hilft uns jetzt der Name des heutigen Sonntages: Misericordias domini, die Barmherzigkeit Gottes. Es

geht also um das Herz.

Dazu eine kleine Geschichte: Da wird ein Mensch von seiner Familie gedemütigt und ausgestoßen. Er ist allerdings nicht ganz unschuldig an dem Verhalten seiner Familie. Denn dieser Mensch war sehr eingebildet und dachte und äußerte dies auch: ich bin etwas Besseres als die andern.

Verständlich, dass die übrigen Familienmitglieder dies ihm übelnahmen. Er wurde ausgeschlossen aus dem Verband, der Familie und Nachbarschaft. Er kam in ein fremdes Land. Getrennt von seiner Familie aber hat er es geschafft. Er wurde wohlhabend, er hatte ein wichtiges politisches Amt inne.

Doch wie ist der Zufall wollte, war es denn ein Zufall? begegneten sich die auseinandergerissenen Familienmitglieder. Derjenige, der wohlhabend und ein politisches Amt innehatte, er hätte die Macht und die Gelegenheit gehabt und besessen, seiner Familie diese üblen Ausgrenzungen heimzuzahlen. Aber er tat es nicht. Er sagte nur: Ihr gedachtet es mir böse zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen.

Da ist Vergebung im Leben von Menschen angekommen, spürbar geworden. Menschen haben ihr Herz füreinander entdeckt. Das will Gott. Das wirkt Gott.

Doch woher nehmen wir diese Kraft?

In unseren Briefzeilen steht ein kleiner, sehr versteckter Satz:  Er stellte es aber dem anheim, der da recht richtet.  Er stellte es aber dem anheim, damit ist Gott gemeint. Von ihm erhofft er sich, dass er recht richtet, dass er dem Recht und der Wahrheit, die die zwei Seiten der Liebe sind, Geltung verschafft. Der Kern von Recht, von Gerechtigkeit und von der Wahrheit ist die Liebe. Er setzt auf Gott, der in seiner Liebe bei seinen Geschöpfen sein will, ja ist.

Gottvertrauen, das ist die Kraft, die es uns Menschen ermöglicht auf dem Weg der Liebe, den Jesus uns vorangegangen ist, zu gehen und zu folgen.

Manchmal fällt es uns schwer diesen Weg zu gehen. Zu vergeben, demjenigen, der mit mir gestritten hat, gelingt nicht immer. Gerecht zu sein gegenüber jemandem, den ich nicht leiden kann, fällt mir schwer.

Jesus als der Supervisor kann uns da etwas mitgeben: er weiß um die Eigenheiten, die Fehler, die Schwächen von uns, von mir. Darum spricht Jesus Christus immer wieder zu uns: Diese Wesensarten, Eigenarten sind keine Hindernisse, keine Gründe dafür, dass ich dich im Stich lasse.

Als ein geduldiger Wegbegleiter, wie es ein guter Hirte ist, führt er uns immer wieder zurück auf den Weg der Liebe.

Auf rechter Straße zu gehen, dazu fordert uns unser Predigtwort auf. Und auf dieser rechten Straße sind wir nicht allein gelassen, viele sind mit uns unterwegs, auch in diesen Zeiten.

Doch was meint „auf rechter Straße gehen“ ganz konkret?

An den anderen denken, ihm schreiben, ihm vertrauen können, dem anderen zuzuhören, nicht ins Wort zu fallen, Fürsorge annehmen können – als Wertschätzung meiner Person, fürsorglich sein für andere, Zeit und Herz teilen können.

Spüren wir nicht tief in unseren Herzen: da ist ein Hirte, der unseren Weg überblickt und deshalb gut leitet und führt. Bei ihm darf ich so sein wie ich bin. Ich muss mich nicht verstellen oder in eine andere Rolle schlüpfen. Ich darf bei ihm einfach da sein.

Jesus ist kein Aufseher, der die Türen abschließt, sondern – wie ein guter Hirte, die Tiere seiner Herde frei weiden lässt. Übertragen, wer sich auf Jesus einlässt, der entdeckt, ich bin begleitet und behütet und ich darf aufrecht gehen, muss mich nicht verstellen. Ich darf dabei sein, am Bau der rechten Straße mitzuwirken. Wie dies aussehen könnte, wie ich mich einbringen kann, davon wurden vorher ein paar Beispiele genannt.

Ich wünsche Ihnen, dass sie sich diesem guten Hirten anvertrauen können und sich darauf verlassen und einlassen, was Christus uns zusagt, auch in diesen Zeiten, wo wir Verantwortung füreinander tragen. Er ermutigt uns: Ich bin bei euch alle Tage. 

Amen.

Pfarrer Matthias Wirsching – Freiberg/Neckar - Nikolauskirche