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29.03.2020 - Andacht / Besinnung zum Predigttext

12„Jesus hat, damit er das Volk heilige durch sein eigenes Blut, gelitten draußen vor dem Tor. 13 So lasst uns nun zu ihm hinausgehen vor das Lager und seine Schmach tragen. 14 Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“ Predigttext für den 5.So.i.d. Passionszeit, Hebräer 13, 12-14

„Wir bleiben hier für euch – bleibt ihr für uns zuhause“ Diese Botschaft schicken uns in diesen Tagen die Pfleger und Krankenschwestern, die Ärztinnen und Klinikmitarbeiter über die Medien zu. „Wir bleiben hier für euch – bleibt ihr für uns zuhause“. Ja, sie bleiben: in den Notaufnahmen und auf den Intensivstationen, in Pflegeheimen und Arztpraxen und Sozialstationen und halten diesen großen Belastungen stand so gut sie können. Und wir nehmen ihren Apell ernst und bleiben wann immer möglich zuhause. 

An sie, die da draußen sind und jetzt noch mehr arbeiten müssen, denke ich bei den Worten des Hebräerbriefes. Nachfolge Jesu, heißt es dort, ist „hinausgehen“ wie es Jesus getan hat, die schützenden Mauern und eigenen Sicherheiten verlassen und zu Orten gehen, die einem im wahrsten Sinn des Wortes Opferbereitschaft abverlangen. Ich frage mich, wieviel Kraft das kostet: dieses Stark sein müssen für andere, die eigenen Ängste möglichst nicht zu zeigen und sogar noch anderen Mut machen. Wie dieser Pfleger, der nach 13 Stunden auf der Intensivstation sein durch die Schutzbrille von blauen Flecken übersätes Gesicht in die Kamera hält und den Leuten zuruft: Geben Sie nicht auf! Niemals!

„Wir bleiben“ – wie gut, dass es in diesen Tagen, in denen scheinbar nichts bleibt, wie es war, dennoch vieles gibt, das bleibt und Bestand hat und tröstet.

Was bleibt sind Menschen, auf die sich andere verlassen können. Die große Verantwortung tragen und sehr umsichtig vorgehen, ständig neue und schwierige Entscheidungen treffen müssen, die bei allen rasanten Veränderungen versuchen, den Überblick zu behalten und dabei nie den Blick für die alten und kranken Menschen verlieren.

Was bleibt sind die, die verlässlich Kontakt halten: Kinder und Enkelkinder, die den Eltern und Großeltern jetzt Briefe schreiben und Päckchen senden und damit zeigen: Ich bin in Gedanken und im Herzen bei dir. Freundinnen und Bekannte, die bei denen anrufen, die sich alleine fühlen. „Ein Gespräch – auch das am Telefon – ist eine Umarmung.“ Das sagte die Leiterin der Telefonseelsorge vergangene Woche im Gottesdienst im Ulmer Münster. Diese schönes Bild hat sich mir eingeprägt: „Ein Gespräch ist eine Umarmung!“

Was bleibt und was mir Mut macht, ist der Zusammenhalt, die Fürsorge und Rücksichtnahme, es bleibt diese große Mitmenschlichkeit und Solidarität, die in diesen Tagen spürbar ist. Viele fragen, was sie tun und wie sie helfen können.

Was hoffentlich weiterhin bleibt und Bestand hat, ist die Einsicht, dass statt hinausgehen für die Mehrheit von uns Bleiben und Aushalten angesagt ist. Für die draußen beten und singen oder musizieren, auf dem Balkon oder auch nur im Stillen. Und: bleibendes, verlässliches Dasein füreinander wie es in unseren Gemeinden auf vielfältige, kreative Weise gerade erprobt wird. Hoffentlich auch dann noch, wenn die erste Welle der Hilfsbereitschaft irgendwann vielleicht vorbei gehen wird.

Wir haben hier keine bleibende Stadt –  Viele fürchten sich vor dem, was nicht bleiben wird. Dass Sicherheiten ihres bisherigen Lebens verloren gehen. Auch ich wünschte mir, alles würde wieder beim Alten sein und ich könnte zurück in mein bisheriges stabiles Leben mit den gewohnten Abläufen und Sicherheiten. Ich sehne mich nach Normalität, danach, dass es wieder möglich ist an Gräbern mit den Angehörigen zu stehen umgeben von all denen, die mit aushalten helfen und bleiben dürfen. Andere sehnen sich genauso und fragen:

Bleibe ich, bleiben die Eltern, die Großeltern gesund? Wird mein Arbeitsplatz, wird meine Existenzgrundlage bleiben? Bleiben unser gutes Gesundheitssystem und die gut ausgestatteten Kliniken den ansteigenden Zahlen gewachsen?

Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir. Für die Menschen, an die der Verfasser des Hebräerbriefes geschrieben hat, war die Frage: Wie halten wir die jetzige Situation durch? Was gibt uns Kraft, diese Zeit voller Angst und Bedrängnis zu bestehen und nicht zu verzweifeln?

Niemand konnte ihnen sagen, wann es anders werden wird. Niemand hatte Antworten auf ihre großen Fragen: Wann diese Zeit des Wartens und Aushalten-Müssens endlich vorbei sein wird - Worauf sie sich vorbereiten müssen - Was noch von ihnen verlangt sein wird.

Und in diese Zeit voller großer und schwerer Fragen, voll Unsicherheit und Angst, schreibt einer ihnen diese Worte: Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir. Ja, auch das, was jetzt ist, wird nicht bleiben. Die Krise wird ein Ende haben. Es wird eine neue Zukunft geben.

Diese Zukunft wird anders sein. Sie ist nicht einfach die Rückkehr ins Alte. Die Zukunft wird neue Herausforderungen mit sich bringen und auf manches werden wir uns neu einstellen müssen. Vielleicht werden wir manches vom Alten vermissen. Aber ganz vieles wird es auch wieder geben: Die Kinder, die sich mit ihren Schulranzen auf den Schulweg machen, der Marktplatz mit Menschen, die nicht mehr hastig ihre Einkäufe machen und sich von weitem zuwinken, sondern stehen bleiben und miteinander schwätzen. Und manches wie die Stille, die uns jetzt so beklemmend erscheint, werden wir uns zurückwünschen, wenn unsere Straßen wieder voller Autos und Motorenlärm sind.

Die zukünftige Stadt – im Hebräerbrief ist damit die Stadt gemeint, in der Gott mitten unter den Menschen wohnt. Die Stadt, in der die Sehnsüchte der Menschen erfüllt sind. Die Aussicht, dass sie kommen wird, hat den Menschen Mut gemacht und Kraft gegeben, durchzuhalten. Sie haben darauf vertraut, dass Gott ihre Nöte und Ängste sieht und hört, dass es ihm nicht egal ist, dass er ihrer Not ein Ende macht.

Die zukünftige Stadt – das ist nicht einfach Vertröstung auf einen jenseitigen Ort. Auch wenn der Blick weiter geht als darauf, was in ein paar Wochen oder Monaten sein wird. Es ist aber Trost und die Vergewisserung: wir sind nicht allein. Einer ist da, der unsere Zukunft und diese Welt in seinen Händen hält. Es ist das Versprechen, dass wir in allem, was nicht bleibt und was wir loslassen müssen, gehalten sind von dem, der war, der auch heute da ist und der bei uns bleiben wird. Haltet dieses Vertrauen fest, sagt uns der Briefschreiber. Und wenn ihr Gott sucht, ist er schon mitten unter euch.

Pfarrerin Beate Schneider, Freiberg a.N.

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