Ev. Kirche Freiberg a.N.

05.04.2020 - Andacht / Besinnung zum Predigttext

3 Und als er in Betanien war im Hause Simons des Aussätzigen und saß zu Tisch, da kam eine Frau, die hatte ein Alabastergefäß mit unverfälschtem, kostbarem Nardenöl, und sie zerbrach das Gefäß und goss das Öl auf sein Haupt. 4 Da wurden einige unwillig und sprachen untereinander: Was soll diese Vergeudung des Salböls? 5 Man hätte dieses Öl für mehr als dreihundert Silbergroschen verkaufen können und das Geld den Armen geben. Und sie fuhren sie an. 6 Jesus aber sprach: Lasst sie! Was bekümmert ihr sie? Sie hat ein gutes Werk (eine schöne Tat) an mir getan. 7 Denn ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun; mich aber habt ihr nicht allezeit. 8 Sie hat getan, was sie konnte; sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt zu meinem Begräbnis. 9 Wahrlich, ich sage euch: Wo das Evangelium gepredigt wird in der ganzen Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie getan hat.

Vielleicht haben Sie es bemerkt: Entgegen dem Wortlaut unseres Predigtwortes lesen Sie nicht „ein gutes Werk“, sondern lesen: eine schöne Tat.

So lässt sich dieser Satz auch aus dem Griechischen ins Deutsche übersetzen. Eine schöne Tat, die hat die Frau ausgeführt.

Eingerahmt ist diese Geschichte in den Todesbeschluss der Schriftgelehrten und in den Verrat des Judas. Ein schwarzer Rahmen also umfasst diese schöne Geschichte.

Ein schwarzer Rahmen – wird nicht auch jetzt unser Leben von einem dunklen Rahmen eingefasst, begrenzt?

Es ist nicht schön, soziale Kontakte auf ein Minimum zu reduzieren, eher in der Isolation als in der Gemeinschaft zu leben. Was zuvor selbstverständlich war, ist nun nicht mehr möglich, soll nicht mehr stattfinden.

 Ein schwarzer Rahmen.

Dramatische Nachrichten bedrängen uns und machen uns Angst. Wir sehnen uns nach Normalität.

Ein schwarzer Rahmen.

Was Jesus erleben wird, ist ja auch eine zunehmende Isolierung von seinen Freunden und von seinen Mitläufern. Er vereinsamt zusehends. Da tut es ihm gut, dass ihm diese schöne Tat widerfährt.

So höre ich von einer Frau, die verschwenderisch handelt, so verschwenderisch, das ihr Verhalten auf andere anstößig wirkt. Eine Handlung, die nicht auf das soziale Gewissen Rücksicht nimmt. Sehr luxuriöses Öl setzt sie verschwenderisch ein. Haben da die Kritiker nicht doch recht: Armen muss geholfen werden, das ist doch eine Pflicht.

Doch der Mensch lebt nicht vom Brot allein.

Es gibt eine kleine Geschichte, die vielen wahrscheinlich schon bekannt ist. Diese Geschichte spielt in Paris. Es wird erzählt, dass eine Bettlerin am Straßenrand sitzt und auf Almosen auf Zuwendungen wartet. Eines Tages erhält sie aus der Hand eines vorübergehenden Mannes, der mit seinem Freund unterwegs ist, nicht Geld, sondern eine Rose in die Hand gedrückt. Daraufhin war jene Frau eine Woche lang nicht mehr zu sehen. Sie hat von dieser schönen Tat gezehrt. Da gibt jemand ihr nicht Geld, was sie doch jeden Tag braucht, sondern ein Zeichen der Anerkennung, der Wertschätzung, der Zuwendung: Eine Rose. Das ist eine schöne Tat, die das dunkle Leben jener Frau erhellt. Dafür öffnet uns diese Geschichte die Augen.

Die Frau, von der uns Markus erzählt, öffnet mir ebenfalls die Augen. Was könnte ich innerhalb eines dunklen Rahmens, der uns gerade einengt, für eine erhellende Geschichte einzeichnen?

Die Zeiten, die die Welt durchmacht, sind dunkel, fordern uns heraus, bringen uns an unsere Grenzen. Ökonomisch, wirtschaftlich, aber auch emotional. Was ich gerade erlebe, möchte ich auf Dauer nicht ertragen. So eingeschränkt, wollen wir nicht miteinander leben, so können wir gar nicht miteinander leben, dennoch müssen wir es in diesen Tagen.

Wie könnte in diesen Zeiten eine schöne Tat aussehen?

Ein Anruf bei Menschen die alleine in ihren Wohnungen oder Häusern leben und sehnsüchtig auf ein tröstliches Wort oder auf ein Gespräch warten,

eine Grußkarte, die wir von Hand geschrieben an jemanden , der uns wichtig ist, senden,

sei es ein Gespräch am Computer per Skype, so dass wir uns einander sehen können,

oder ein Einkauf für Menschen, die niemanden haben, der sie versorgt.

Oder einfach nach dem Nachbarn, nach der Nachbarin schauen, um zu erfahren, was er oder sie braucht.

Ein gemeinsames Lied gesungen von den Balkonen der Nachbarschaft.

Jede und jeder von uns hat genug Fantasie, hier und heute eine schöne Tat in diesen dunklen Rahmen einzuzeichnen, damit es nicht nur dunkel bleibt.

Eine schöne Tat widerfährt Jesus. Das geschieht , wie gesagt,  auf einem Hintergrund, der gar nicht schön ist, der düster wirkt. Jesus geht seinen Weg ans Kreuz. Heute am Palmsonntag, da jubeln die Menschen ihm entgegen und rufen ihm Hosianna zu. Und wenige Tage später schreien sie: Kreuzige ihn.

Übertüncht, übermalt diese Aussicht die schöne Tat jener Frau? Nein, sie bleibt und sie bekommt ihre Würdigung. Eine schöne Tat verhindert ja nicht alles Leid und wird nicht alle Rätsel des Lebens lösen.

Aber sie ist und bleibt doch ein Lichtblick, der Hoffnung verbreitet. Nach dem Karfreitag folgt ja das Ostergeschehen: Jesus wird neu ins Leben gerufen.

Und so möge die schöne Tat auch uns Hoffnung für unsere Herzen bringen. Dass wir auch in schweren Zeiten etwas Schönes für jemand anderen tun.

Denn erst die schöne Tat setzt der guten Tat die Krone auf.

Seien Sie begleitet und behütet von dem Gott, der zu uns hält,

Amen

Pfarrer Matthias Wirsching, Nikolauskirche