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21.05.2020 - Predigt an Christi Himmelfahrt

Text: Johannes 17, 20-26

Liebe Gemeinde an Christi Himmelfahrt,

wir haben es heute mit einem ganz besonderen Text aus der heiligen Schrift zu tun, nämlich mit einem Abschnitt aus dem 17. Kapitel des Johannesevangeliums.

Es ist eine Stelle, die vom Abschied geprägt ist wie eben bei Lukas in der Apostelgeschichte und das Thema ist, dass Jesus noch einmal zusammenfasst, warum er auf dieser Erde war.

Als Gottes Sohn, als Licht der Welt war er hier und nun kommt es darauf an, dass die Jünger ihn nicht aus den Augen verlieren, besser noch: im Herzen behalten, wenn er nicht mehr da sein wird. Wie einst die Erzväter Abraham oder Jakob Abschied nahmen von ihren Söhnen, als sie hochbetagt waren und dem Sterben nahe, so tut es hier Jesus, bevor er verhaftet und ermordet wird. 

Der Höhepunkt dieser Reden ist sicherlich das Gebet, das Jesus für sich und seine Jünger im 17. Kapitel spricht. Es ist in seiner Ausführlichkeit und in seinem Charakter unverwechselbar und einzigartig.

Ich lese daraus die Verse 20-26. (bitte in der Bibel nachlesen!) 

Liebe Gemeinde, in drei Abschnitte habe ich meine Predigt unterteilt:

1. Die Auffahrt Jesu zum Himmel ist kein Verlust, sondern ein Gewinn

2. Das Fenster zum Himmel ist die Tür zur Welt.

3. Eine irdische Erfahrung, die mir himmlisch vorkommt (Erzählung)

1. Die Auffahrt Jesu zum Himmel ist kein Verlust, sondern ein Gewinn

Während in unserem Text die Hinweise auf die Himmelfahrt Jesu nur spärlich sind,  sind sie in unserem Glaubensbekenntnis überraschend deutlich: „aufgefahren in den Himmel, er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters, von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten“

Letzteres verwundert uns vielleicht, denn insgeheim, ich nehme an, das geht ihnen ähnlich wie mir, insgeheim haben wir die Sache mit der Himmelfahrt wenig ernst genommen und uns auch schon immer etwas an der Vorstellung gestoßen, dass Jesus hier förmlich nach oben entschwebt ist, wie der Evangelist Lukas in seiner Apostelgeschichte berichtet.

Ja, man kann mit Fug und Recht behaupten: Kaum einmal im Neuen Testament wird unser Glaube an das Berichtete so auf die Probe gestellt wie hier in dieser Szene.

Über die Himmelfahrt zu reden, bedeutet also ein Thema anzuschneiden, dass für unseren Glauben eher eine Randbedeutung oder gar keine Bedeutung hat. Und wenn wir uns diese an sich schon unglaubliche Szene mit dem sich verabschiedenden Jesus vorstellen, der die Jünger auf dem Berg zurücklässt, dann haben wir an dieser Stelle vielleicht eher Trauer darüber empfunden als Freude, denn seither ist Jesus eben nicht wieder hier auf Erden gewesen.

Wieso aber begehen wir Christen diesen Tag denn als Feiertag? Wenn doch weder Jesu Tod noch seine Auferstehung uns Jesus weggenommen haben, aber doch diese Szene des Abschieds?  - Früher hat man an Himmelfahrt die Osterkerze ausgeblasen, denn sie war ja ein Zeichen für die leibliche Anwesenheit Jesu auf der Erde! Nun aber verlässt Jesus unsere Welt und fährt gen Himmel ---

Ist dieser 40. Tag nach Ostern nicht also ein Trauertag, ein Tag des Verlustes der Gegenwart Christi?

Der Theologe Gerhard Ebeling hat eine gute Antwort auf diese Frage gefunden. Er schreibt: „Wäre mit dem Tod und der Auferstehung Jesu alles zu Ende gewesen, hätten wir uns womöglich mit dem Gedanken getröstet, dass Jesus nun ja alles überstanden hätte und er nun – wie unsere eigenen Toten – in Frieden ruhen dürfe. Die Himmelfahrt Jesu aber spielt eine ganze andere Melodie. Denn durch das Auffahren Jesu zum Himmel, durch das zur Rechten Sitzen beim Vater wendet sich Jesus nicht von der Welt ab, sondern ihr in Wahrheit zu. Er ist nun nicht von der Welt abgewandt, sondern ihr aufs intensivste zugewandt.“

Also doch kein Trauertag, sondern die Freude darüber, dass Jesus mit dem Vater und dem Heiligen Geist zusammen die Welt regiert. Denn dieses Regieren wäre von der Erde aus nicht möglich, denn nur wenn Jesus mit seinem Vater im Himmel ist, ist er an keinen Ort und keine Zeit gebunden, sondern kann, wie Gott Vater und der Heilige Geist, an jedem Ort dieser Welt gegenwärtig sein.

Insofern ist die Himmelfahrt Jesu kein Verlust, sondern ein Gewinn für unser Leben.

„Jesus Christus herrscht als König“, dieses Lied werden wir nachher singen, und ist kein Trauerlied nach dem Motto: Schade, dass Jesus nicht mehr bei uns ist, sondern ein Freudenlied mit dem Gedanken:

Wunderbar, dass er diese Welt regiert und von überall her erreichbar ist. Heute dürfen Christen in Syndey, in Rejkjavik, in Montevideo und in Freiberg mit seiner Gegenwart rechnen – weil er im Himmel zur Rechten Gottes sitzt.

Die Auffahrt Jesu zum Himmel ist kein Verlust, sondern ein Gewinn.

2. Das Fenster zum Himmel ist die Tür zur Welt.

Oft wird uns Christen ja bekanntlich der Vorwurf der Jenseitsvertröstung gemacht. Statt die Verhältnisse auf Erden zu ändern, heißt es dann, würden wir uns auf einen Himmel verlassen, in dem dann nur noch Frieden herrscht für diejenigen, die zu Gottes Auserwählten gehören.

Ich denke, dass wir diesen Vorwurf ernst nehmen müssen. Ich glaube auch, dass in der 2000jährigen Geschichte der Kirche eher zu viel von Himmel und Hölle gesprochen wurde als zu wenig.

  • Vor allem im Mittelalter, als man den Menschen systematisch Angst gemacht hat mit der Hölle und dem, was sie nach dem Tod darin zu erleiden hätten.
  • Und später dann, noch als ich ein Kind war, wurde in christlichen Kreisen gerne die Frage groß gemacht, wer wohl in den Himmel kommt! Da wurde ganz schön gesiebt zwischen Frommen und nicht so frommen Christen.

Was sehen wir hier an unserem Text? Nun, von der Hölle redet Jesus im Johannesevangelium überhaupt nicht, nicht ein einziges Mal. Entsprechend zurückhaltend gehe auch ich mit diesem Begriff um, wie Ihnen vielleicht schon aufgefallen ist.

Und was das „In den Himmel-Kommen“ anbetrifft, so spricht Jesus hier die Hoffnung aus in seinem Gebet, dass doch alle, die der Vater ihm gegeben hat, einmal dort sein mögen, wo Jesus auch ist: „Vater, ich will, dass wo ich bin, auch die seien, die du mir gegeben hast, damit sie meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast…“ -  und kurz zuvor: „ Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, so sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast.“

Da unterscheidet Jesus nicht zwischen Frommen und weniger Frommen, zwischen richtiger Konfession und falscher Konfession, sondern sagt schon mit dem ersten Satz: „Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für die, die durch ihr Wort, also das Wort der Jünger, an mich glauben werden.“ 

Das heißt, Jesus schließt in diese Jüngerschaft alle mit ein, die einmal von ihm und seiner Geschichte hören werden. Und das sind wir doch alle, die wir heute Morgen hier sitzen, unabhängig von unserer Frömmigkeitsbilanz bisher, und das sind doch so viele, Abermillionen andere, die heute von diesem Jesus hören und das Gehörte für sich gelten lassen können! 

Und deshalb, liebe Gemeinde, muss der Himmel offen bleiben für alle!

Keine Gemeinschaft, keine Kirche hat das Recht, diesen Himmel für andere zu schließen und zusagen: Da werdet ihr keinen Platz bekommen. Keine Kirche hat diesen Himmel für sich allein! Im Gegenteil: Wo so gedacht wird, ist Christus schon fern, weil die Einheit, dieser Traum vom Einssein zerstört wird. Doch genau davon spricht Jesus hier – Alles sollen eins sein, wie wir, der Vater und ich, eins sind. 

Der Himmel ist also falsch verwendet, wo man ihn nur für sich selbst oder die eigene Gemeinschaft, Konfession, Kirche reklamiert – und auch dort, wo man ihn zur Jenseitsvertröstung verwendet, wo man leichtfertig sagt: „Im Himmel wird es dann schon besser werden.“

Auch das ist ein unrühmliches Kapitel der Kirche.

Denn Jesus hatte es doch vorgemacht und zur Norm erhoben: Das Himmelreich kommt dort zur Geltung, wo man gerecht handelt, wo man barmherzig ist, wo man sich bückt unter die Schwachen und den Mächtigen widersteht. Wo man all das nicht tut, wo man sich der Geringen nicht annimmt, Kranke nicht tröstet, Hungrige nicht speist, Elenden nicht hilft, dort ist der Himmel nicht sichtbar.

Dass wir Christen auf einen Himmel warten, stellt uns also in eine besondere Verantwortung für unser eigenes Leben und das Leben anderer.

Notorische Egoisten und Hetzer, Leute, die Hassmails verbreiten und ganze Menschengruppen verachten, die kennen einen solchen Himmel nicht. Deshalb spielt es für sie auch keine Rolle, wie man mit seinen Mitmenschen umgeht. Wenn es keinen Himmel gibt, in dem ein lebendiger Gott wohnt, dann ist es in letzter Konsequenz egal, wie man sich verhält. Wer sollte mich richten, wenn ich nur meinem eigenen Wohl verpflichtet bin, nur meinen eigenen Normen?

Aus der Geschichte wissen wir: Wo Menschen das Sagen haben, die keinen Himmel über sich kennen, da kann tatsächlich die Hölle auf Erden entstehen.

Denn der Mensch verliert ein Stück seiner Menschlichkeit, wenn er den Himmel nicht sieht. Menschlich sind wir dann, wenn wir im anderen Menschen das Göttliche, das Himmlische sehen, das in ihn hineingelegt ist. Dann können wir nicht anders, als uns jedem Menschen gegenüber menschlich zu verhalten, selbst dann, wenn der fremd, gestört oder feindselig ist.

Darum ist es Zuspruch und Anspruch zugleich, wenn wir wissen: Jesus regiert vom Himmel und er will alle, die ihm sein Vater gegeben hat, zu sich ziehen.

Das Fenster zum Himmel ist die Tür zur Welt.

 

3. Eine irdische Erfahrung, die mir himmlisch vorkommt.

In meinem 37. Lebensjahr war ich als Pfarrer noch auf der Schwäbischen Alb tätig. Das Dorf war bekannt für seine belastete Geschichte in Sachen Ökumene. Denn obwohl es nur ein paar hundert Einwohner hatte, war es unter die Herrschaft zweier Grafen aufgeteilt, die nach der Reformation einem unterschiedlichen Glauben anhingen, den die leibeigenen Untertanen, ob sie wollten oder nicht, übernehmen mussten. (Man stelle sich das mal vor)

Die Folge war, dass sich auch die Bewohner nach und nach fremd wurden und man die anderen für keine richtigen Christen hielt. Die anderen waren die Wüstgläubigen, man selber machte es natürlich richtig. Das war auch deshalb besonders problematisch, weil man sich mehrere Jahrhunderte lang, bis 1968, ein gemeinsames Kirchengebäude teilen musste. Natürlich machte man es den anderen bei allen gottesdienstlichen Angelegenheiten so schwer wie möglich. Um 8 Uhr morgens am Sonntag, konnte man in den Chroniken nachlesen, um 8 Uhr morgens bei der Messe verwendeten die Katholiken extra viel Weihrauch, um die evangelischen Nasen zu ärgern, dafür klopften die Besitzer dieser Nasen schon vor 9 Uhr kräftig an die Kirchentür, weil sie auch ihren Gottesdienst feiern wollten.  --- Krass!

Nun, als ich dort Pfarrer wurde, gab es solche Zustände natürlich nicht mehr, aber die Rivalität war deutlich im Ort zu spüren, nach mehr als 400 Jahren. Es gab noch ein altes Schulhaus, das nicht mehr benützt wurde, mit zwei getrennten Eingängen… Und es gab richtige Hardliner auf beiden Seiten, auch auf meiner, der Evangelischen.  Auf der Gegenseite war es zum Beispiel der katholische Kirchenpfleger, der mir gegenüber alles andere als ein Herzblatt war.

Im Jahr 2001 hatte er einen Autounfall, an dem er selbst nicht schuld war, und ich erfuhr, dass er mit schweren Verletzungen im Krankenhaus lag. Weil mir von Anfang an viel an der Versöhnung lag, fuhr ich hin um ihn zu besuchen. Mein erster Besuch brach ganz langsam das Eis zwischen uns und beim zweiten, ja, da öffnete sich der Himmel, zumindest habe ich es so empfunden.

Denn nicht lange, nachdem ich im Krankenzimmer angekommen war, kam ein etwas nervös wirkender Mann hinzu, der sich als der Verursacher des Unfalls vorstellte. Er habe vier Wochen lang gebraucht, um den nötigen Mut zusammenzubekommen, den Schwerverletzten zu besuchen. Er sagte, dass er den Unfall immer noch nicht verstehe, er sei bislang 17 Jahre unfallfrei gefahren und dann so ein Aussetzer. Und auf einmal hat man fast ein Menschenleben auf dem Gewissen! Er könne das nicht begreifen. Vor allen Dingen hätte ihn die Frage gequält, wie es dem Schwerverletzten gehe, und -- ob der ihm wohl verzeihen könne?

Da holte der Patient im Bett tief Luft und wies auf seine Verletzungen und auf das ganze Leiden seiner schon vier Wochen andauernden Bettlägerigkeit hin, aber, sagte er weiter, er wolle deshalb keine Auseinandersetzung, er wolle vergeben, so gut ihm das im Moment möglich wäre. ---  ---

Und nun nahm ich auch meinen Mut zusammen und fragte, ob ich mit ihnen beten dürfe. Als sie bejahten, nahm ich links und rechts ihre Hände und sie taten es mir nach. Also hielten wir uns alle drei an den Händen und ich sprach zu Gott, er möge auch hier Versöhnung stiften durch seinen Sohn, Vergebung, auf die wir ja alle angewiesen wären und möge Frieden stiften, wirklichen, echten Frieden, zwischen dem Unfallfahrer und dem Unfallopfer, aber natürlich auch zwischen allen Menschen, die miteinander aus irgendeinem Grund im Unfrieden wären.

Dieser Bitte, so merkte ich bald, ist Gott gerne nachgekommen. Alle drei hatten wir anschließend das Gefühl, dass Gott wollte, dass wir hier in Christus miteinander eins würden. Das war nicht unsere Regie, sondern seine. Und tatsächlich: Von diesem Tag an hatten der Kirchenpfleger und ich ein sehr gutes und vertrauensvolles Verhältnis.  

Und bitte, liebe Himmelfahrtsgemeinde: Es geht mir bei dieser Geschichte nicht um ein Eigenlob. Das wäre schade, wenn es so herüberkäme.

Sondern es geht mir darum zu zeigen: Wo wir in Jesu Namen beten und handeln im Namen der Vergebung und der Versöhnung, dort machen wir irdische Erfahrungen, die uns himmlisch vorkommen.  Da können wir wirklich miteinander eins werden.

Amen.

Pfarrer Andreas Bührer

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