Taufansprache und Predigt am 26. Juli 2020, Amanduskirche
Text: 1. Mose 24, 40 (Taufspruch J. Schneider)
Liebe Gemeinde,
Jonathan Emil Schneider, beinahe ein Jahr alt, am 12. August ist es soweit, der zweite Sohn von Franziska und Patrick Schneider aus der Westenfeldstraße 14. Sein älterer Bruder, der Julian, hat ihn von Anfang an gern gehabt, und für Sie, liebe Frau Schneider, hat sich ihr Wunsch nach zwei Söhnen bereits mit zwei Kindern erfüllt. Das nenne ich eine gelungene Umsetzung, von der wir wissen, dass sie auch anders ausgehen kann.
Auch zuhause im richtig schönen Heim mit urlaubsfähiger Terrasse ist inzwischen alles fertig geworden, was sich vor zwei Jahren, als Julian getauft wurde, noch als Baustelle darstellte. In meinen Notizen habe ich den Satz gefunden: „Von der Baustelle zum fertigen Projekt.“
Und weil Anfang des Jahres noch eine schöne Reise in Australien drin war, konnte Ihnen auch die Corona-Zeit gar nicht soviel anhaben.
Jonathan Emil hat einen besonderen ersten Vornamen mit einer Bedeutung, die seinen Wert wunderbar bestimmt: Denn Jonathan bedeutet „Gabe Gottes“, da stecken die hebräischen Worte für Jahwe, den Gott Israels, und geben drin, Natan, und zwar heißt es im hebräischen Wörterbuch, dass das GEBEN hier vor allem im Sinne eines GESCHENKS zu verstehen sei.
Jonathan, ein Geschenk Gottes, so wie es mir vor zwei Tagen mein Cousin Bernd schrieb, als er zum ersten Mal Großvater wurde und ein Foto schickte: „Eine echte Gottesgabe!“ Und Bernd ist sonst eigentlich keiner, der mit christlichen Floskeln um sich werfen würde, aber hier schrieb er: „Welche Gottesgabe! Das Leben verwöhnt uns grenzenlos.“ Denn ein Kind ist nichts, was man selbst hätte machen können, bestellen können, einfordern können, sondern ein Wunder, ein Geschenk, ein unverfügbares, in seiner von Anfang an gegeben Vollständigkeit unfassbares Geschenk. So dürfen Sie ihren Sohn jeden Tag anschauen, so sollen Sie sich auch erinnern, wenn er mal gar nicht den Eindruck eines Geschenks machen sollte, sondern vielleicht das eines Plagegeists, eines Tunichtguts, eines Wildfangs.
Was immer auch aus ihm wird, was immer er eines Tages auch aus seinem Leben macht, was immer gelingt oder misslingt, Jonathan ist und bleibt ein Geschenk, darin liegt neben aller Freude zugleich das Unverfügbare, der potenzielle Schmerz, der mit der Liebe zu diesem Geschenk einhergehen kann. Zwei kleine Söhne sind etwas Wunderbares, doch wenn sie groß sind, muss man hoffen, dass sie stark genug sind, die Herausforderungen des Lebens zu bestehen, dass sie in der Lage sind zu sagen, was auf ihren Seelen lastet.
Mehr und mehr ist mir wichtig zu sagen: Die Religion darf nicht nur ein Sahnehäubchen sein auf dem Kuchen des Lebens. Sondern nur wenn sie wirklich eine Rückbindung ist an Gott, was sie ja vom Wortsinn her bedeutet, kann sie zur Quelle von Kraft und Trost werden. Und das Leben ist – weiß Gott - kein Kuchen, sondern Schwarzbrot. Ist Kampf. Ist mal Triumph, mal Niederlage. Und ein beständiges Wiederaufstehen. Am besten mit Gottes Hilfe.
Ich unterbreche meine Ansprache an dieser Stelle und setze sie nachher fort.
….. TAUFHANDLUNG…..
Liebe Gemeinde,
die Religion darf nicht nur ein Sahnehäubchen auf dem Kuchen sein, habe ich vorhin gesagt. Und zwar schon deshalb nicht, weil das Leben in der Regel kein Sonntagskuchen ist, sondern eher das Schwarzbrot unter der Woche. Unsere Kinder, auch wenn sie nicht für ihren Lebensunterhalt arbeiten müssen wie in anderen Ländern, werden durch Kita und Kindergarten frühzeitig ins Leben hinausgeschickt, und dort warten große Herausforderungen auf sie. Sich immer wieder behaupten in der Gruppe, in der Clique, herausfinden, wo ist mein Platz im Leben, was kann ich gut, was fällt mir schwer, wer steht an meiner Seite, wem kann ich trauen und wem nicht so sehr… und die vielen Eindrücke verarbeiten, Bilder, Medien, Reize, den eigenen oder fremden Erwartungen standhalten, den Rollenbildern, den Schönheitsidealen, den überall auftauchenden Vorbildern, die einem das Leben auch schwer machen können….einfach ist das alles nicht.
Nicht umsonst berichten die Medien, dass viele Kinder heute unter einem großen Druck stünden, dass sie vermehrt mit Schlafstörungen, Übergewicht und Allergien zu tun hätten, regelmäßig Medikamente einnehmen würden… das hört sich oft alles andere als nach dem erstrebten Kindeswohl an. Und das, obwohl wir es heute ja viel besser machen wollen als unsere Eltern, viel mehr auf die Kinder eingehen wollen, ihnen es so leicht wie möglich machen wollen…
Ja, es ist schon eine nachdenklich machende Beobachtung, dass in Deutschland möglicherweise mehr denn je für das Glück eines Kindes getan wird, die Kinder aber deshalb nicht fröhlicher wirken als früher. Im Gegenteil: Oft sieht man mit Staunen Kinderbilder aus armen Ländern, auf denen gestrahlt wird, was das Zeug hält. Solche Fotos gelingen bei uns meistens nur mit den ganz Kleinen. Schon den Zehnjährigen fällt das Lachen nicht immer leicht.
Vielleicht machen wir eher zu viel als zu wenig, stelle ich mal in den Raum… vielleicht müssten wir ihnen mehr Raum zum eigenen Erfahren ermöglichen, und weniger unsere Programme durchziehen…? Und ist nicht auch die Religion häufig eher ein aufgesetztes Programm als ein persönliches Erleben und Entdecken?
Der evangelische Kirchenbezirk Ludwigsburg hat sich vor vielen Jahren ein Motto gegeben, dass mir bis heute gut gefällt. Es heißt: Leben mit Gott verbinden. Es heißt nicht: Gott über alles, Gott über dem Leben, es heißt auch nicht Leben mit einer Prise Gott, so eine homöopathische Dosis Gott über dem Leben wie das Weihwasser oder das Taufwasser in portionierten Mengen, sondern es heißt Leben mit Gott verbinden.
Und genau das passiert in der Geschichte, aus dem der Taufspruch von Jonathan stammt. Da geht es um eine große Reise, die der Diener und Verwalter Abrahams in den fernen Osten unternehmen soll, um eine Braut zu finden für Abrahams Sohn, den Isaak.
Und wenn wir diese Reise, die im ersten Buch Mose im 24. Kapitel beschrieben wird, mal vergleichen mit unserem Lebensweg, dann sehen wir viele Parallelen:
Der Diener Abrahams sucht sich diese Reise nicht selbst heraus, er wird erwählt und geschickt. So ist es auch bei unserem Leben: Wir haben es uns nicht ausgesucht, sondern wir werden ins Leben geschickt. Manche Menschen lieben deshalb ihr Leben nicht, sie sagen: Ich habe es nie gewollt.
Bevor er dann loszieht, gibt Abraham seinem Diener einen Auftrag. Suche eine Frau für meinen Sohn, eine Partnerin, die ihm durch die möglichen Kinder eine Zukunft gibt. Auch in unserem Leben beginnen die meisten früher oder später auf der Suche nach einem Menschen zu sein, der sie wie ein Gegenstück ergänzt und im besten Fall der Vater oder die Mutter der gemeinsamen Kinder wird.
Weiter wird berichtet, dass Abrahams Diener zehn Kamele und wertvolle Geschenke mitgenommen habe, um sein Ziel zu erreichen. Auch wir ziehen in unser Leben niemals ohne Talente, ohne Geschenke, die wir nützen dürfen, ohne Ausrüstung, die wir erhalten haben.
Doch der Diener Abrahams, so kann man lesen, hat Bedenken: Was ist, wenn es nicht gelingt, wenn ich keine Frau finde oder wenn sie nicht mitkommen will?
Diese Bedenken kennen wir auch: Ängste, wenn wir das eigene Haus verlassen, vor Prüfungen stehen, ins Ungewisse gehen. Was ist, wenn es nicht gelingt?
Und dann sagt Abraham zu seinem Diener:
Gott, der HERR, wird dir seinen Engel mitschicken und deine Reise gelingen lassen.
Und genau diesen Satz hat er heute auch zu Jonathan gesagt, dieser Gottesgabe an Sie beide. Diesen Satz sagt er aber nicht nur heute zu ihm, sondern immer wieder neu. Sein ganzes Leben lang soll Jonathan von diesem Satz getragen werden. Denn die Religion soll nicht das Sahnehäubchen seines Lebens sein, sondern der Grund, auf dem er steht.
Denn, und ich glaube, Sie wissen, wovon ich jetzt spreche, was ich andeute, das Leben ist wirklich beschwerlich, ist gefährlich, ist eine Herausforderung – und darum soll es mit Gott verbunden sein und bleiben, von Anfang an, zwischendurch und bis zu seinem Ende. Diese Woche mussten wir es neu erleben. Doch damit uns nicht irgendwann die Kraft ausgeht, der Mut, die Hoffnung, darum will Gott segnen. Damit wir unsere Leben nicht wegwerfen, wenn wir es grade nicht mehr verstehen. Sondern darauf trauen: Gott ist auf meiner Lebensreise dabei, er hat mir seinen Segen zugesagt, auf ihn kann und will ich mein Leben lang trauen. Das ist gemeint, wenn es heißt: Leben mit Gott verbinden.
Amen.
Pfarrer Andreas Bührer